15.1.2013
Liebe
Sophia!
Vielen
lieben Dank für deinen so ausführlichen Brief über eure
Lebensweise in Deutschland. Wie ich beim Lesen gemerkt habe ähnelt
sie unserer in Grönland sehr, wo aber im Unterschied zu euch solche
eisigen Temperaturen herrschen können. In Grönland gibt es nicht
nur solche Menschen wie dich, sondern auch solche wie mich: die
Inuit. Viele von uns haben sich mit dem Laufe der Zeit an die
Gewohnheiten der anderen Menschen angepasst, doch nicht alle Inuit
teilen die Meinung, die Traditionen unseres Volkes zu unterbrechen
und aufzugeben. So auch mein Vater und natürlich meine Mutter. Die
beiden haben mich zu einem Inuit-Mädchen erzogen, welches den
uralten Traditionen von unseren Vorfahren nachgeht. Aber dazu später
:)
Hast
du dir schon einmal überlegt, warum wir Inuit genannt werden?
Vielleicht nennst du uns auch gar nicht Inuit, sondern Eskimos, aber
ich hoffe du hörst damit auf, wenn ich dir erzähle was das
bedeutet: “Rohfleisch-Esser“!!! Deshalb werden wir nun Inuit
genannt, dass du mit “Mensch“ übersetzen kannst.
Gestern
waren meine Familie und ich in der Siedlung Kulusuk, einem unserer
benachbarten Dörfer, um unseren gefangenen Fisch gegen Felle zu
tauschen. Viele Inuit jagen keine Robben, Walrosse, Wale, Eisbären
und Karibus mehr, da sie die Meere leergefischt und den Bestand der
Landtiere so verringert haben, dass sie unter den vom Aussterben
bedrohten Tierarten aufgelistet werden. Da die Inuit aber somit
nichts mehr haben, was sie verkaufen oder tauschen können, werden
sie arbeitslos, dadurch immer ärmer und manche verfallen sogar dem
Alkohol oder werden depressiv, sodass sie letztendlich vom Staat
unterstützt werden müssen.
Habe
ich dir schon erzählt, wie wir wohnen? Unser normales Haus welches
wir Qarmaq nennen besteht aus Gras, Erdsoden, Gestrüpp, Treibholz
und Walknochen. Hört sich witzig an, oder? Damit wir uns nicht auf
den kalten Boden setzen müssen, legen wir Felle auf dem Boden aus.
Doch wenn wir auf die Jagd gehen können wir ja nicht unser ganzes
Haus mitnehmen, auf der Jagd bauen wir die berühmten Iglus, von
denen du sicherlich schon gehört hast. Sie werden aus Backsteinen
hergestellt, die wir aus Eis fabrizieren. Diese werden aufeinander
geschichtet und die Ritzen werden mit Schnee gestopft. Die Tür an
dieser keinen Behausung ist ein kleiner Eistunnel, der mit einem
Eisblock verschlossen werden kann. In diesen gut isolierten Häusern
aus Eis lässt es sich ziemlich gut aushalten, glaub mir! Sie sind
manchmal bis zu 15°C warm, und das bei einer Außentemperatur von
manchmal -50°C.
Damit
wir uns bei der Jagd aber auch gut fortbewegen können, nutzen wir
unsere Schlittenhunde, die Huskys. Sie stammen von den Polarwölfen
ab, lieben deshalb den Schnee und sind an die frostig kalten
Temperaturen im Winter gewöhnt. Sie ziehen unseren speziell
angepassten Schlitten, den Quamutik, der lang und flach ist, damit er
gut über das Packeis gleitet. Außerdem sind die Huskys nicht nur im
Winter für uns wichtig, da sie im Sommer gut als Lasttiere
eingesetzt werden können.
Wenn
wir aber auf dem Wasser jagen, kommen wir mit dem Schlitten nicht
weit, dort benutzen wir das Kajak oder das Umiak das Frauenboot, um
mit Harpunen Fische, Robben und Wale zu jagen.
Ich
hoffe, dass du jetzt einen Eindruck von meinem Leben bekommen hast,
das findest du bestimmt ziemlich abenteuerlich und vor allen Dingen
fremd ;)
Ich
hoffe du schreibst mir bald!
Alles
Liebe!
Deine
Anouk