Dienstag, 29. Januar 2013

Ein Brief eines traditionell lebenden Inuit an ein deutsches Mädchen


                                                                                                                                                     15.1.2013

Liebe Sophia!

Vielen lieben Dank für deinen so ausführlichen Brief über eure Lebensweise in Deutschland. Wie ich beim Lesen gemerkt habe ähnelt sie unserer in Grönland sehr, wo aber im Unterschied zu euch solche eisigen Temperaturen herrschen können. In Grönland gibt es nicht nur solche Menschen wie dich, sondern auch solche wie mich: die Inuit. Viele von uns haben sich mit dem Laufe der Zeit an die Gewohnheiten der anderen Menschen angepasst, doch nicht alle Inuit teilen die Meinung, die Traditionen unseres Volkes zu unterbrechen und aufzugeben. So auch mein Vater und natürlich meine Mutter. Die beiden haben mich zu einem Inuit-Mädchen erzogen, welches den uralten Traditionen von unseren Vorfahren nachgeht. Aber dazu später :)

Hast du dir schon einmal überlegt, warum wir Inuit genannt werden? Vielleicht nennst du uns auch gar nicht Inuit, sondern Eskimos, aber ich hoffe du hörst damit auf, wenn ich dir erzähle was das bedeutet: “Rohfleisch-Esser“!!! Deshalb werden wir nun Inuit genannt, dass du mit “Mensch“ übersetzen kannst.

Gestern waren meine Familie und ich in der Siedlung Kulusuk, einem unserer benachbarten Dörfer, um unseren gefangenen Fisch gegen Felle zu tauschen. Viele Inuit jagen keine Robben, Walrosse, Wale, Eisbären und Karibus mehr, da sie die Meere leergefischt und den Bestand der Landtiere so verringert haben, dass sie unter den vom Aussterben bedrohten Tierarten aufgelistet werden. Da die Inuit aber somit nichts mehr haben, was sie verkaufen oder tauschen können, werden sie arbeitslos, dadurch immer ärmer und manche verfallen sogar dem Alkohol oder werden depressiv, sodass sie letztendlich vom Staat unterstützt werden müssen.

Habe ich dir schon erzählt, wie wir wohnen? Unser normales Haus welches wir Qarmaq nennen besteht aus Gras, Erdsoden, Gestrüpp, Treibholz und Walknochen. Hört sich witzig an, oder? Damit wir uns nicht auf den kalten Boden setzen müssen, legen wir Felle auf dem Boden aus. Doch wenn wir auf die Jagd gehen können wir ja nicht unser ganzes Haus mitnehmen, auf der Jagd bauen wir die berühmten Iglus, von denen du sicherlich schon gehört hast. Sie werden aus Backsteinen hergestellt, die wir aus Eis fabrizieren. Diese werden aufeinander geschichtet und die Ritzen werden mit Schnee gestopft. Die Tür an dieser keinen Behausung ist ein kleiner Eistunnel, der mit einem Eisblock verschlossen werden kann. In diesen gut isolierten Häusern aus Eis lässt es sich ziemlich gut aushalten, glaub mir! Sie sind manchmal bis zu 15°C warm, und das bei einer Außentemperatur von manchmal -50°C.

Damit wir uns bei der Jagd aber auch gut fortbewegen können, nutzen wir unsere Schlittenhunde, die Huskys. Sie stammen von den Polarwölfen ab, lieben deshalb den Schnee und sind an die frostig kalten Temperaturen im Winter gewöhnt. Sie ziehen unseren speziell angepassten Schlitten, den Quamutik, der lang und flach ist, damit er gut über das Packeis gleitet. Außerdem sind die Huskys nicht nur im Winter für uns wichtig, da sie im Sommer gut als Lasttiere eingesetzt werden können.

Wenn wir aber auf dem Wasser jagen, kommen wir mit dem Schlitten nicht weit, dort benutzen wir das Kajak oder das Umiak das Frauenboot, um mit Harpunen Fische, Robben und Wale zu jagen.

Ich hoffe, dass du jetzt einen Eindruck von meinem Leben bekommen hast, das findest du bestimmt ziemlich abenteuerlich und vor allen Dingen fremd ;)

Ich hoffe du schreibst mir bald!

Alles Liebe!

Deine Anouk

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