Louise
Arner Boyd
Tagebucheinträge
3.9.1926
Es muss Leben geben, es muss
Leben geben… So sagte ich mir immer wieder. Keine Gegend der Welt ist so heiß,
so kalt, so unwirtlich, dass sich dort nicht das Leben, der Ursprung einer
lebendigen und wirklichen Landschaft entfalten kann. Und ich habe es gewusst!
Als ich als junges Mädchen 1920 das gewaltige Vermögen meiner Eltern erbte,
wusste ich, dass ich mein Leben den Polarzonen widmen will. Und es war das
Richtige! Ab morgen will ich beginnen, mein neues Leben genau zu beschreiben
und so gut wie möglich zu verstehen.
Louise
A. Boyd
10.9.1926
Ich habe lange nichts mehr
niedergeschrieben. Aber ich bin so überwältigt, und mit mir meine Begleiter.
Die meisten Menschen stellen sich die Polarzone als Gegend vor, in der nur die
Kälte herrscht und Eis und Schnee als königliche Berater auserwählt wurden.
Dies ist aber nur die halbe Wahrheit. Es stimmt schon, die Pflanzen sind hier
sehr
kümmerlich, es überwiegen eher
Flechten, Organismen, die aus Algen und Pilzen bestehen welche sich gegenseitig
versorgen, Pflanzen, die stark an solche Bedingungen angepasst sind. Auf fast
grausame Weise spiegelt sich hier das Klima. Da die Sonnenstrahlen nicht
senkrecht auf diese Stellen des Erdballs fallen, sondern die gleiche Wärmeenergie
auf eine größere Fläche verteilt wird, entstehen hier frostige Temperaturen. Es
ist meistens etwa -50°C kalt! Doch trotz dieser Kälte und starken Schneestürmen
gibt es hier verschiedenste Pflanzen- und Tierarten. Ich bin so froh, dass ich
hier bin!
Louise
A. Boyd
12.9.1926
Nun fahre ich fort mit der
Beschreibung der Landschaft. In der Tundra, die kalte Steppe nördlich des
Nordpolarkreises, wachsen nur noch sehr kleine Bäume, sehr niedrige Sträucher,
sowie Gräser, wie Moose und Flechten. Diese Pflanzen wachsen zwar nur wenige
Zentimeter hoch, aber sie wachsen, und so kann ich all meine Zeit hier darauf
verwenden, sie zu studieren. Flechten wachsen sehr nah am Boden und sehr dicht
beieinander, was ihnen Schutz vor Austrocknung, Kälte und Wind bietet. Die Vegetationsperiode
umfasst hier maximal drei Monate, die Pflanzen wachsen deshalb nur sehr langsam.
Die Tiere schützen sich vor Kälte und Nahrungsmangel durch Wanderungen,
Winterruhe- oder schlaf oder durch eine dicke Speckschicht.
Auch darf bei der Beschreibung
der Landschaft der Permafrost nicht fehlen. Dies ist der ständig gefrorene
Untergrund der Polargebiete, dessen oberste Schicht im Sommer regelmäßig
auftaut. Dieser Permafrost kann sehr tief reichen, in sehr kalten Gebieten wie
Nordrussland sogar bis zu 1500m in die Tiefe. Viele Menschen sagen, er wäre der
Fluch der Tundra. Doch das ist er nur für die Menschen, die dort leben. Wenn
diese die Natur nicht einfach in ihren Schoß eingebettet lassen könnten! Ach,
sie würden Erfahrungen machen, bei denen die aufgehende Sonne das Eis auftaut,
das ihre Herzen umschließt.
Louise
A. Boyd
13.9.1926
Ich möchte meine Beobachtungen
und Forschungen nun zusammenfassen. Die Landschaft der Polarzone ist im
Allgemeinen sehr karg. Die wenigen Pflanzen, die dort wachsen, wachsen dicht am
Boden und eng beieinander. Die Tiere der Polarzone haben spezielle Methoden
entwickelt, wie sie sich vor dem Frost und den Temperaturen von oft -50°C
schützen können, beispielsweise die Winterruhe. Das Klima in den Polarzonen ist
wegen der stark nördlichen bzw. südlichen Lage sehr kalt, durch die Kälte sind
die Vegetationsperioden sehr kurz, die Pflanzen wachsen nur langsam und
spärlich und haben spezielle Methoden entwickelt, ebenso wie die Tiere der
Polarzonen. Da die Landschaft auch häufig überwiegend aus verschiedenen Arten
von Eis, wie dem Packeis oder dem Meereseis, und Schnee besteht, spiegelt sich
hier stark das frostige Klima, welches all diese Zustände der Arktis und der Antarktis verursacht. Trotzdem,
trotzdem hat mich die Polarwelt in ihren ewigen Bann gezogen, von dem ich mich
nie wieder werde loslösen können. Nie wieder.
Louise
A. Boyd